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Die Wirklichkeit eilt der Wissenschaft voraus

Die Wirklichkeit eilte der Wissenschaft heute mit Riesenschritten voraus. Was heute als „Forschungsergebnisse“ auf den Markt kommt, ist entweder mit der heißen Nadel gestrickt, um den eigenen Namen, das eigene Institut oder die eigene Universität ins Rampenlicht zu rücken, oder es basiert auf zwar sorgfältig erhobenen Daten, die aber bereits wieder über das Verfalldatum hinaus sind. Insbesondere die Soziologen und Psychologen kommen aus dieser Zwickmühle nie mehr heraus – es sei denn, die Zeitmühlen würden sich langsamer drehen.

Diese Woche schrieb ich ja über einen „neuen“ Beziehungstest, der von etwas nebulösen Begriffen wie „Beziehungserwartungen“ und „Beziehungstypen“ einherkommt – nun, der Betreiber einer großen deutschen Singlebörse jedenfalls errechnet daraus einen „Beziehungsquotienten“ und bezeichnet dies als das Non-Plus-Ultra des „Matching“, also der „Zusammenführung passender Paare“. Die Partnerböse erklärt dies dann so (Zitat Friendscout24)

Je größer die Übereinstimmungen der Partner bei den Erwartungen an eine Beziehung laut Testergebnis sind, desto wahrscheinlicher ist die Zufriedenheit in der Beziehung.

So etwas kann man einem jungen Menschen vielleicht noch als „wundervolle Wahrheit“ verkaufen, mir aber nicht mehr. Die Erwartungen an eine Partnerschaft haben sich bei mir während meines Lebens gravierend verändert, und diese Tatsache dürfte auf fast jeden Menschen zutreffen, der in seinem Leben mehrere längere Beziehungen oder Ehen durchlebt hat.

Doch nicht nur bei mir – das wäre ja nun wirklich einseitig. Frage ich Menschen ab 40 (in dieser Altersstufe bewegt sich die Kundschaft von Partneragenturen), so sagt mir so gut wie jeder, dass seine heutigen Partnervorstellungen, wie im Übrigen auch seine Lebensauffassungen, strak von denen seiner Jugend abweichen. Man könnet dies einfach als „Reifungsprozess“ bezeichnen.

Falls dies alles noch zu individuell erscheint: Blicken Sie einmal nur 20 Jahre zurück, wenn sie dies schon können, und sagen Sie mit, ob die Gesellschaftsordnung noch die gleichen Vorstellungen hinsichtlich der Partnerschaft hat wie heute. Ich bin in der glücklichen Lage, fast 50 Jahre zurückzublicken. Da denke ich beispielsweise an die 1970er Jahre – da blieb in den Beziehungsstrukturen kein Stein auf dem anderen, und ganz ähnlich war es vor 20 Jahren – nur abermals unter neuen Vorzeichen.

Nur die Wirklichkeit zählt, nicht die Wunschvorstellungen

Die Wirklichkeit ist im Sozialbereich unschlagbar. Sie folgt niemals den Modellen der Wissenschaftler, sondern eilt ihnen mit Riesenschritten voraus. Kein Mensch rechnete vor zehn Jahren mit einer starken Zunahme der Fern- und Europabeziehungen – nun sind sie da. Ich lache laut auf, wenn ich mir vorstelle, wie dieser Faktor in die „Erwartungen an eine Beziehung laut Testergebnis“ vor 10 Jahren eingegangen wäre – doch diese Beziehung würde doch heute gelebt, nicht wahr?

Noch ein weiteres Problem wird durch Beziehungsvorstellungen nicht gelöst: Sie sind Ideale – die gelebten Realitäten sind ganz anders. Die Werbung einschlägiger Datingdienste wirft ja nur so um sich mit den Superlativen „Traumfrau, Traummann, Traumpartner“, und das ist nur die Spitze des Eisbergs. Die Partnersuchenden mögen ja diese tollen Beziehungsideale, Wünsche und Vorstellungen haben – doch wer älter als 25 ist, sollte sich nach und nach von diesem Teenie-Gedöns freimachen. Ich weiß nicht, ob all dies in den Beziehungsquotienten mit eingeht – aber wenn es denn „Erwartungen“ waren, die abgefragt wurden, dann wäre es unwahrscheinlich, wenn sie in die Befragung nicht mit eingegangen wären.

Die Liebe ist stärker als jeder Beziehungsquotient

Zudem – und hier kommt ein wichtiger Punkt hinzu, den alle kennen (auch die Wissenschaftler):

Wer den Partner mit der „idealen Übereinstimmung“ in den Erwartungen gefunden hat, wird sich nicht zwangsläufig auch in diesen Partner verlieben – und Partner, in die man sich nicht verliebt, werden zurückgewiesen, so glücklich auch Vergleichspaare geworden sein mögen.

Die Wirklichkeit ist der Wissenschaft immer einen Schritt voraus – und die Liebe denkt gar nicht daran, der Wissenschaft zu folgen. Sie ist der eigentliche Joker der Natur, der die Menschen auf- und ineinander bringt, ob sie nun ähnliche Beziehungserwartungen haben oder nicht. Ich verkenne dabei keinesfalls, dass auch viele Liebende einen großen Anteil an Vernunft in die Beziehung mit einbringen – aber nur mit Vernunft geht es eben gar nicht.

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