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Die Nackten, die Journalisten und ein Musical

Das Musical „Nackt!“ erlebte am Samstag in Bremen nicht nur seine Uraufführung – es zeigte auch, wie schwer es die Presse hat, mit Liebe, Lust und Leidenschaft umzugehen: Irgendwie wollte das Musical nicht zum Kulturbegriff der Kritiker passen. Zu Ihrer Information: Das Musical basiert auf Schnitzlers „Reigen“ – damals ein Skandalstück, heute Salonkost für das saturierte Bürgertum unserer Tage.

Man hatte bei den ersten Kritiken den Eindruck, als ob die Journalisten mit dem Thema gar nicht umgehen könnten – da kamen Menschen nackt auf die Bühne, da wurde onaniert, kopuliert und vergewaltigt – und nun erwarten die Leser eigentlich, dass sie einen Gesamteindruck von dem bekommen würde, was auf der Bühne und im Publikum geschah: Wie wurde die Nacktheit eingesetzt? War es angebracht, das Stück so zu inszenieren? Löste es etwas in den Zuschauern aus? Und weil es nun mal eben ein Musical ist: Wie war die Musik?

Nun, bereits am Sonntag konnten wir im Bremischen „Weser-Kurier“ lesen:

Herausgekommen ist ein Reigen aneinander gereihter Szenen von belangloser Beliebigkeit

Auch sonst fand der Kritiker des „Weser-Kuriers“ manches zum Nörgeln, zum Beispiel an der Schauspielkunst der männlichen Ensemblemitglieder: (Zitat):

Ihre hervorstechendste Charaktereigenschaft: Talentlosigkeit. Gefühle, die berechenbar sind und lediglich behauptet werden

.

Ich gebe da mal zu bedenken, dass Gefühle bei Opern und Musicals immer berechenbar sind, und im gleichen Ton geht es dann weiter: „Die Mädels“ seien als „als Nackedeis durchaus hübsch anzusehen“ … und … „sie spielen und singen ganz ordentlich“.

Na bitte: Ein Musical hat offenbar auch etwas mit Musik zu tun, da erfreut der Hinweis natürlich außerordentlich, dass die „Mädels ganz ordentlich singen“ – wobei ich gerne vermerke: Der Kritiker lobte die Musik von Brandon Ethridge und seiner Band.

Bei der dpa (hier aus der ZEIT zitiert) kommt die Musik gar nicht erst vor, aber dafür schildert der Kritiker, wie die Liebe auf die Bühne gebracht wird:

Sie stellen die Liebe in all ihren Facetten dar. Neben leidenschaftlich und romantisch ist sie auch traurig, komisch, naiv, unbeholfen, gemein und zerstörerisch

Na bitte – das ist doch mal eine Aussage, doch offenbar musste nun noch Zuschauerinnen befragt werden, und da darf dann eben jemand über dpa mit folgender Meinung verbreitet werden: „Es war schon grenzwertig“. Ach, wie wichtig und ausdrucksstark.

Immerhin wagte die NWZ, uns mitzuteilen, was der Kritiker empfunden hat:

Sex hat noch heute viel mit Machtgelüsten und Demutsgesten zu tun

Hier lesen wir dann auch, dass die Dialoge ein wenig dahergeschludert waren („banal wie selbst geschriebenes Schülertheater“), aber dass die Musik nun wirklich großartig war: Denn obwohl die Erwartungen des Kritikers nicht hoch waren, hallten „die Songs als potenzielle Ohrwürmer erstaunlich lange nach.“

Na bitte – wollen Sie noch mehr von einem Musical, das mit wenig Aufwand produziert wurde?

Eine Frage, die mich weiterhin beschäftigt, ist aber diese: Wie kann, wie soll oder wie muss man gar die Konflikte aus Liebe, Lust und Leidenschaft auf eine Bühne bringen – und zwar erstens realistisch, zweitens unterhaltsam und drittens auch noch so, dass einem Raum zum Nachdenken bleibt?

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