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Sind arrangierte Ehen die besseren Ehen?

Die Wissenschaften vom Menschen, kurz „Geisteswissenschaften“ genannt, sind zu einer Ansammlung kühner und kühnster Behauptungen verkommen, und Wissenschaftler tun alles, damit dieser Prozess niemals endet. Eines der jüngsten Beispiele ist die Behauptung, arrangierte Ehen würden länger halten, weil sie sorgfältig arrangiert wurden. Diese Behauptung ist ungefähr so intelligent wie die Aussage, dass zu lebenslangen Freiheitsstrafen Verurteilte weniger oft den Wohnort wechseln würden als Verkehrssünder.

Die bürgerliche Ehe – mal aus anderer Sicht

Urheber ist Robert Epstein, ein US-amerikanischer Psychologe, Autor und Journalist, dessen Studie, die schon etwas angejahrt ist, aber immer wieder gerne zitiert wird. In der Studie stellte er angeblich fest, dass sogenannte „arrangierte Ehen“, die wir in unserem Sprachgebrauch eher „Zwangsehen“ nennen würden, länger hielten als Liebesheiraten. Die arrangierten Ehen werden meist angeblich zugunsten der Frauen geschlossen, um gute Partien zu erhalten, rauben ihnen aber in Wahrheit die Freiheit der Wahl. Ist die Ehe geschlossen, muss der Geschlechtsverkehr ausgeübt werden – gleichgültig, wie ihn der Mann ausführt und ob sie einverstanden ist oder nicht.

Interessant ist, wie die Wahrheit schnell abgetan wird. Zwar werden in einem entsprechenden Artikel alternative Meinungen kurz angerissen, zum Beispiel die, dass es sich um keine Ehen, sondern um geschäftliche Transaktionen handeln würde – doch dann wurden die Frauen, die unter ihren Ehen litten, schnell als „Ausreißer“ in einem System markiert, das an sich gut und richtig ist.

Man könnte die ganze Geschichte als eine interne Angelegenheit des orthodoxen Judentums bezeichnen (unter diesem Aspekt wurde der Artikel veröffentlicht) , wäre da nicht folgender Passus, der meine Aufmerksamkeit fand – denn dort kam eine offenbar psychologisch gebildete Scheidungs-Spezialistin zu Wort, Francine Kaye, die sich als „Scheidungs-Doktor“ vermarktet.

Was Frau Kaye zu sagen hatte, klingt dann so:

In den orthodoxen jüdischen Gemeinden suchen die Eltern sorgfältig nach Übereinstimmung zwischen den Partnern … Ehrlich gesagt, was ist denn der Unterschied zwischen einer arrangierten Ehe und einer Dating Seite, auf der sie einen langen Fragebogen über ihre Vorlieben ausfüllen müssen?

Es tut uns ja als Liebepur leid, dass Frau Kaye den Unterschied nicht erkennen kann, aber das mag wohl daran liegen, dass sie ihn nicht sehen wollte. Denn der Hauptunterschied zwischen einer „arrangierten Ehe“ und einer Datingseite besteht daran, dass sich Frauen ihre Partner dort selber wählen – in arrangierten Ehen wählen die Eltern.

Töchter verhökern gegen „disponibles Vermögen“

Die Diskussion erinnert lebhaft an die großbürgerlichen Ehen des 19. Jahrhunderts, bei denen ähnliche Behauptungen aufgestellt wurden. Sie waren ebenso fadenscheinig wie heute. Tatsächlich gab es damals nahezu ausschließlich wirtschaftliche Gründe – sie waren das Bindemittel einer angeblichen „Kompatibilität“. Die Ehe hieß deswegen auch Konvenienzehe – sie war eine Verbindung, die darauf beruhte, dass die bürgerlichen Fassaden gewahrt wurden. Damals gab es zahlreiche Berichte, Novellen und auch viel Geflüster darüber, dass die Damen lieber einen anderen geheiratet hätten, ja, dass sie kurz vor der Ehe noch einen heimlichen Geliebten hatten, um wenigstens einmal eine wirklich schöne Liebesnacht zu genießen. Offiziell aber waren sie „ja so schrecklich glücklich“ darüber, den von den Eltern ausgewählten Mann zu heiraten. Einen Mann übrigens, der nicht unbeträchtliche Geldsummen erhielt, um dem Vater die Tochter „abzunehmen“.

Nun gut – man muss wohl immer bis zum Ende lesen, um den Sinn mancher Artikel zu verstehen. Hier lesen wir, dass Mr. Epstein zwei populäre jüdische Matchingseiten abkanzelte (englisch: decried), um eine neuartige, eigene Seite zu empfehlen.

Gelesen in der New Yorker Zeitschrift „Allgemeiner“ aus der auch das Zitat stammt.

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