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Warum wir nicht über Sex schreiben – und nicht über Dates

Wir Schriftsteller beschäftigen uns viel zu oft mit uns selbst. Das verwundert kaum: Wir müssen Emotionen erspüren, eventuell gar tatsächlich nachvollziehen können. Also müssen wir Fuchs und Haas, Kommissar(in) und Mörder(in) und – leider eben auch Lover und Geliebte in einer Person sein. Es gehört zum Beruf, aber es ist unglaublich schwer für uns, es wirklich gut umzusetzen, vor allem, wenn man ein bisschen intim werden sollte.

Nicht entblößt unsere Gefühle mehr als eine Sexszene zu schreiben

, sagt uns der britische Autor Martin Amis. Gewiss, der Mann ist inzwischen 62, doch in der Regel wird das Schreiben über Sex ja einfacher, je älter man wird.

Man schreibt eher über ein Bordell als über Sex

Der Mann hat recht. Zwar schreiben wir Autoren selten über uns, aber etwas von uns bleibt in jeder unserer Schriften. Es sei einfacher, über den Ersten Weltkrieg zu recherchieren, meint Amis – und jeder Autor wird ihm zustimmen. Der Erste Weltkrieg? Ein Bordell 1914? Eine Tochter aus gutem Hause, die vor der Ehe noch einmal schnell eine wirkliche erregende Liebschaft sucht? Das ist bei guter Recherche alles kein Problem. Aber Sex? Kreuzverdammt noch einmal, wenn Sie meinen, es sei einfach, dann schreiben Sie doch darüber – Sie werden in Kürze feststellen, dass ihre Novellen so aufregend sind wie ein Report über einen Kolben, der sich in einem Zylinder auf- und abbewegt. Versuchsweise können sie ja mal eine Nacherzählung über einen erotischen Film schreiben. Ei holla, da werden sie sehen, wie schnell Ihnen die Worte ausgehen, nicht wahr? Oder lesen Sie die vielen Tausend Geschichten, in denen er oder sie ihr erstes Mal (oder eines ihrer ersten Male) haben. Alles liest sich wie Schulaufsätze.

Starke Hormonschübe und lahme Worte

Was mag wohl in ihr vorgehen?

Das Problem ist einfach zu beschreiben, aber schwer zu lösen: Wenn man sich selbst beobachtet, dann benötigt man Reflexion, wenn man andere beobachtet, Detailtreue. Nun, bitte schön: Machen Sie´s doch einmal. Wenn Sie selbst beteiligt sind, dann wissen Sie vielleicht noch die Handgriffe, aber bevor Sie „näher zur Sache“ gingen, hatte Mutter Natur schon ihre Hormonschübe abgeschickt, die ihren Verstand außer Gefecht setzten, nicht wahr? Ich wage gar nicht, von anderen zu beginnen. Sie wollen doch nicht in den Ruf kommen, ein Voyeur zu sein?

Das Date – intim und erotisch zugleich

Wie Sie sehen, ist es einfach, auch nur ein Date zu beschreiben – vom ersten schüchternen Blick über den Teil, in dem nur Informationen gewechselt wurden bis zu dem Teil, indem sogenannte „Schmetterlinge“ das Regiment übernahmen, und letztendlich bis zum Aufwachen neben einem Menschen, der Ihnen zumindest jetzt irgendwie fremd vorkommt.

Mies machen, unbeteiligt sein, abschreiben

Sehen Sie, ich werde oft gefragt: „Sagen Sie mal, wie verläuft denn so ein Date?“ Wissen sie, dann denke ich an diese Leute, die über „misslungene“ Dates und all die widerwärtigen Männer schreiben, die sie dabei kennenlernen. Ja, das kann man mit schriftstellerischem Grundwissen in Rekordzeit niederschreiben. Man muss es auch gar nicht selbst erlebt haben – Abschreiben, Umschreiben und ein bisschen dazuflunkern funktioniert vorzüglich.

Wer sich persönlich engagiert, schreibt nicht mehr

Das Intime beschreiben wir selten

Ja, wie verläuft denn so ein Date wirklich, unter gewöhnlichen Menschen, die nicht darüber schreiben? Sehen Sie – da haben wir den Knackpunkt sozusagen am Schwanz gepackt. Es kann unheimlich sinnlich sein, ein wenig peinlich, manchmal statt dessen lustig – und natürlich kann es auch schiefgehen. Aber „wie es war“, das kann man beinahe niemals beschreiben, wenn man sich wirklich in die Begegnung engagiert. Wobei wir den Knackpunkt nun beim Kopf gepackt hätten: Wer über seien Dates schreibt, hat sich nicht wirklich engagiert – und wer sich engagiert hat, kann selten darüber schreiben.

Es war schön – das ist oft das Schönste am Schönen

Selbst wenn es – mit erheblicher innerer Anstrengung und der Bereitschaft, die wunden Punkte des eigenen Lebens offenzulegen – gelingt, ist dann schon etwas gewonnen? Wissen wir dann tatsächlich, was in beiden vor sich ging? Nein, das wissen wir nicht. Wenn Kinder sagen, sie hätten „schön gespielt“ verschließt sich dies All denjenigen, die nicht dabei waren. Wenn wir unsere Liebesspiele zelebrieren (auch das Date an sich ist ein Liebes-Spiel), und es schön war, dann wissen wir auch nicht, warum wir es so „schön fanden“.

Ich denke: Das ist alles gut so, und es kann durchaus so stehen bleiben. Vielleicht sollten wir unsere Intimbereiche gar nicht erst nach außen kehren, sondern sie sinnlich in unseren Gedanken bewahren. Wenn gehen Sie schließlich etwas an, außer unserer Partnerin und uns selbst?

Wenn Sie dennoch jemanden kennen, der die Form der Kurzgeschichte halbwegs beherrscht und gerne über ein Date schreiben würde, dann sagen sie es mir einfach. Ich veröffentliche sie gerne, wenn sie auch mir gefällt.

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