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Auch bei der Suche: das herbeigeredete Geschlechterproblem

Frauen-Nische Hauswirtschaft um 1900. „Mann und Weib“ wurden unterschiedliche Eigenschaften beigemessen.

Frauen sind Frauen, Männer sind Männer – damit wäre die Diskussion um die Geschlechter heutzutage eigentlich erschöpft. Doch inzwischen erleben wir einen eigenartigen, durch die Medien verbreiteten Grabenkampf. Der neue Geschlechterkrieg ist da – und er ist so oberflächlich, mittelmäßig und fadenscheinig, dass man getrost jeden, der ihn führt, als „dummdreist“ abqualifizieren könnte.

Krampfhafte Suche nach Regeln: Frauen sind … Männer sind …

Zum Hintergrund: Ein Problem der neuen Zeit besteht darin, dass wir uns selber neu definieren müssen, und uns dabei mit neuen Regeln vertraut machen müssen. Das Verhältnis zum anderen Geschlecht, das wir anstreben, folgt keinen traditionellen Gesetzmäßigkeiten mehr – und deswegen müssen wir es verhandeln, wann immer wir eine Beziehung eingehen.

Die Albernheit: Frauen müssen sich ändern, Männer müssen ich ändern

Das ist vielen Menschen zu kompliziert, auch vielen Partnersuchenden. Das einfache Rezept, sich herauszulavieren, besteht darin, das jeweils andere Geschlecht pauschal abzuqualifizieren. Zwei Sätze reichen, um sie vorzuführen, die erbärmlichen Vereinfacher: „Männer müssen sich ändern“ und „Frauen müssen sich ändern“. Man fragt sich, wie jemand überhaupt so dumm sein kann, solche Forderungen zu stellen – in die Zeit passen beide Sätze nicht.

Die Dummheit, „den Männern“ zu sagen, dass sie sich bitte schön ändern sollen, weil sich Frauen längst verändert haben, ist lächerlich. „Frauen“ im Plural entwickeln sich höchsten als namenlose Masse – wohin sie sich persönlich entwickeln, kann gar nicht erfasst werden, weil es zu kompliziert wäre. Die Männer, andererseits, sind häufig so dreist, von dreist, von „den Frauen“ eine Rückwärtsentwicklung zu verlangen. Es gibt keine „Rückwärtsentwicklungen“ und es gibt auch kein pauschales Frauenbild, weil sich Frauen auf gar keinen Fall „einheitlich“ vorwärtsentwickelt haben.

Beziehung: hinzugewinnen und aufgeben können

Der notwendige Abgleich, wenn man zusammenkommen will, kann nur von Frau zu Mann stattfinden, nicht von „Frauen“ zu „Männern“, denn was jeder individuell aufgeben will, kann und mag, und was er auf der anderen Seite dazugewinnt, wenn er eine Beziehung mit dem anderen Geschlecht eingeht (oder gar überhaupt irgendeine Beziehung), kann nur er selbst entscheiden.

Selber ist man unvollkommen – die anderen sollen vollkommen sein

Die weiblichen und männlichen Heißsporne machen einen bedeutsamen Fehler: Sie nehmen an, dass wir in einer Gesellschaft leben, in der man sich auf „die Männer“ oder „die Frauen“ verlassen könnte. Sie nehmen aus innerster, konservativer und letztlich überaus dumm-arroganter Überzeugung an, dass die „Ware Frauen“ oder die „Ware Männer“ ganz bestimmet Eigenschaften haben müsse. Warum dies ebenso dumm wie dreist ist? Wie diejenigen, die so denken, nur Verlässlichkeit in „die Frauen“ und „die Männer“ einfordern, selbst aber diese Verlässlichkeit nicht anbieten. Es gibt kein Markenwaren-Rollenmodell „Frau“ oder „Mann“ mehr, sondern nur noch Individuen, auf die man eingehen kann oder eben auch nicht.

Warum tun Menschen dies? Ganz einfach: Sie selbst sind unsicher über ihre Rolle, was sie nicht weiter stört, solange sie sich darauf verlassen können, dass „die Masse der Anderen“, also „die Frauen“ oder „die Männer“, ganz bestimmte Eigenschaften haben.

Von der falschen Annahme bis zum Wahn: Nicht ICH – die Anderen

Aus der Sicht eines selbstregulierenden Systems lässt sich schnell erklären, warum dieses Verhalten letztendlich zum Versagen führt (in ICH-Form):

– Ich bin unsicher über die Rolle, die ich einmal in der Zweierbeziehung wahrnehmen möchte, erwarte aber, dass der Rest der Menschheit einem „neuen, transparenten Regelwerk“ folgt.
– In Wahrheit existiert dieses „neue Regelwerk“ aber nirgendwo, und je länger ich vermute, es dennoch zu finden, umso mehr versage ich an meinen eigenen Regeln.
– Wenn ich nun weiterhin annehme, dass ein verbindliches Regelwerk „notwendigerweise existieren müsste“, so kann ich mich fast nur noch in die Forderung versteigern: „Ihr Anderen (ihr Männer, ihr Frauen), ihr müsste euch ändern, damit meine Bedürfnisse erfüllt werden.
– Die Anderen denken aber gar nicht daran, sich zu verändern, sondern versuchen, in Beziehungen individuelle Lösungen zu finden.
– Das allerdings passt selbstverständlich nicht in mein Bild: Ich will ja gar nicht verhandeln, sondern vorgefertigte Menschenprodukte einer bestimmten Norm vorfinden.
– Denke ich so, dann bleibt mir nur noch der neurotische Gedanke: „Alle müssen sich ändern, nur ich nicht.“

Handeln, geben, nehmen in Beziehungen

Die Sache wird noch heikler, wenn man glaubt, nur nehmen zu können und nichts geben zu müssen, nur dazuzugewinnen und nicht auch zu verzichten. Sogenannte „moderne“ Menschen glauben ja ganz generell, in der Partnerschaft leicht ohne Verzicht auskommen zu können. Mir scheint, dass vor allem diejenigen Frauen, die sich „jetzt viel erarbeitet haben“, ihren eigenen Lebensentwurf zu heftig verteidigen. Eine Beziehung ist aber keine Bedrohung, sondern ein Zugewinn sui generis.

Die Zeiten haben sich deutlich gewandelt. Früher waren es „die Männer“, die glaubten, durch Heirat zu verlieren. So gut wie jeder Onkel gab seinem Neffen in den vermeintlich guten Rat: „Denk dran, wenn du heiratest, ist die Mark nur noch fünfzig Pfennig wert.“ Heute glauben zu viele Menschen, zu verlieren, wenn sie eine Beziehung eingehen. Doch sie verkennen, dass der Gewinn des Lebens nicht alleine in Geld, Macht und Unabhängigkeit besteht. Mit einem Geschlechterkrieg hat das nur am Rande zu tun, her schon muss man einen Irrglauben anprangern, nämlich den, die Welt schneller verändern zu können als sich selbst, um das Lebensglück zu finden.

Lesen Sie in der Wochenzeitschrift die ZEIT (Nr. 12/2012 Seite 47), was andere Zum Thema meinen.

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