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Kulturschock Internet-Dating?

Was wirklich Kultur war, erfahren wir zumeist erst, wenn sie längst Geschichte ist. In unserer Gegenwart betrachten wie „Kultur“ als etwas ganz Selbstverständliches, sozusagen als unseren Alltag. In meinem Leben habe ich bereits Kulturen kommen und gehen sehen – vor allem in der Liebe und in der Partnerschaft. Das Etepetete-Fräulein der 1950er Jahre, dem noch eingebläut wurde, als Jungfrau in die Ehe zu gehen, die schein-emanzipierte Frau der 1970er Jahre, die behauptete, alle Frauen sollten sich abschminken, in Jesuslatschen gehen und den BH wegwerfen, und die 1990er-Jahre Frau, mit der alles ging, weil sie neugierig war. Mit all diesen Frauentypen musste derjenige rechnen, der in dieser Zeit ausging, um eine Partnerin zu finden.

Sie hanen es vermutlich – Individualistinnen sind rar, und zwar in jeder Kultur. Es gab sie immer, die Menschen, die sagten: „ich mache, was ich will, wie ich es will, wo ich es will und wann ich es will“ – aber dazu war Unabhängigkeit nötig, die sich vor allem in „eigener Wohnung und ausreichendem Einkommen“ manifestierte – beides hatten die Frauen der 1950er und 1960er Jahre nur in seltenen Fällen.

Früher, so heißt es oft, wurde die Vernunftehe eingegangen, die durch die Eltern gestiftet wurde. Das ist nur insoweit richtig, als die bürgerlichen Eltern mit Geduld und Geld versuchen mussten, ihre Töchter an den Mann zu bringen, aber nicht, dass die Sache auch wirklich Vernunft beinhaltete. Nicht von ungefähr hieß diese Art der Ehe auch „Konvenienzehe“ („standesgemäße Ehe“) – ihr Sinn bestand also nicht darin, auf Vernunft oder Übereinstimmung zu bauen, sondern darin, „dass der Schwiegersohn von ähnlichem, besser noch besserem „Stand“ war. Die einzige „Vernunft“ dieser Ehen bestand also darin, sich in einem „gehobenen Bürgermilieu“ zu bewegen.

Das Internet, so wird behauptet, soll angeblich die „neue Vernunftehe“ fördern. Das ist eine neue Art, Unsinn zu verbreiten, und sie ist der Schönfärberei sehr ähnlich, mit denen das arrogante Bürgertum ihre „Konvenienzehen“ gegen die Liebesheirat verteidigte.

In Wahrheit ist in der neuen Art der Internet-Verbindungen so wenig Vernunft zu erkennen wie in jeder anderen Liebesbeziehung auch. Dabei verwundert kaum, dass die Partneragenturen besonders voreilig den Finger heben, wenn die Rede von der „neuen Vernunftehe“ ist. Sie behaupten ja, sie hätten das Ei des Kolumbus bereits gefunden, indem sie Partnertests anbieten – nur ist darin allein noch keine Vernunft zu erkennen, sondern bestenfalls eine grobe Charterannäherung, die mit Vernunft nicht das Geringste zu tun hat.

Bilanz kann man noch nicht ziehen – aber so viel kann man sagen: Es ist unser gutes Recht, uns in einen anderen Menschen zu verlieben, und es ist ebenso unser Recht, uns dabei zu irren. Keine der heute üblichen Methoden kann uns sagen, ob wir unseren Partner sechs Wochen, sechs Monate, sechs Jahre oder ein ganzes Leben neben uns sehen wollen. Und was noch schwerer wieder: Kein Test kann uns sagen, ob beide Partner die Charakterstärke haben, wirklich ein Leben lang miteinander zu verbringen und dabei in Zufriedenheit alt zu werden.

Anmerkung: Dieser Artikel ist bewusst als Kontrapunkt zu den Ausführungen von Professor Konrad Paul Liessmann gewählt worden

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