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Dating-Ratgeber: Sich waschen, ohne nass zu werden

Der Markt der angeblich „psychologischen“ Ratgeberliteratur zur Partnerwahl, zum Dating oder wie immer Sie dies sonst nennen mögen, hat einen generellen Fehler: Niemand auf dieser Erde geht in Ihren Schuhen – nur sie gehen darin. Es reicht nun einmal nicht, wenn Sie von anderen erfahren, welche Größe sie benötigen, welche Farbe zu Ihnen passt und ob der Schuhe dem Anlass gerecht wird. Nein – Sie müssen darin gehen – nur Sie. Sie wissen, wo der Schuh drückt und wann das soweit ist. Mit einem Satz: Nur Sie wissen, wie es sich in Ihren Schuhen geht. Brauchen Sie dazu Ratgeberliteratur?

Fragen wir uns nun, wozu wir Ratgeberliteratur benötigen, dann gibt es einen halbwegs plausiblen Grund: Man will sich einen Überblick verschaffen. Wenn man hingegen etwas für sich selbst erreichen will, braucht man keine Ratgeberliteratur, sondern Pläne, Trainingsprogramme oder gar Selbstveränderungsprogramme. Haben Sie bemerkt, dass es dazu wesentlich weniger Bücher gibt als diese geschwätzigen Ratgeberbüchlein? Falls nicht, dann achten Sie doch einmal darauf.

Ein großer Teil der Ratgeberliteratur wird geschrieben, weil die Leserinnen und Leser sich waschen wollen, ohne dass ihr Fell nass wird. Das heißt, sie wollen alles verändern, ohne sich selbst zu verändern. Wer solche Bücher schreibt, der muss immer schön den Ball flach halten: Gefällig muss alles sein – und weil gefällig allein nicht reicht, wird etwas Psychologie darüber getüncht, die auch wieder „gefälligst gefällig“ zu sein hat: Das Leben der Leserin oder des Lesers darf keinesfalls problematisiert werden – es ist völlig in Ordnung. Das alles lässt sich ebenfalls mit einem ehemals populären Ratgebertitel, so ausdrücken: Ich in OK, du bist OK.

Liebe Mitmenschen – falls Sie sich Ratgeberliteratur aus irgendeinem anderen Grund kaufen, als sich einen Überblick zu verschaffen, dann fühlen sie mindesten, das „etwas“ nicht OK ist, sonst würden sie dies nicht tun – und also fühlen Sie auch, dass sie sich verändern sollten.

Die meisten Ratgeber-Bücher für die Liebe, das Dating, die Partnerwahl oder wie Sie es nennen, spart das Thema „Selbstveränderung“ aus: Man will Ihnen eben die Gelegenheit lassen, gewaschen, aber nicht nass bis zur letzten Seite zu kommen. Eine der Autorinnen sagte gerade frank und frei, was sie wirklich erwarten können:

(Es ist) … durchaus klug, gewisse Strategien zu entwickeln, um den richtigen Mann überhaupt erst einmal zu treffen. Und um zu wissen, was Männer wollen …

Am Ende jedes einschlägigen Buches werden Sie feststellen, dass vieles zutrifft und manches nicht, dass Sie vielleicht diesen Tipp noch nicht erprobt haben, aber jenen längst kennen. Wenn Sie oberflächlich lesen, werden Sie sich selbst in diesen Büchern vielfach wiederfinden. Wenn sie hingegen kritischer hinsehen, können Sie herausfinden, dass die eigentliche Ursache dafür im Barnum-Effekt liegt: Je flacher Verhaltensweisen oder Eigenschaften beschrieben wird, umso mehr Menschen identifizieren sich damit.

Strategien sind – ebenso wie „Tipps und Tricks“ – durchaus nützlich, wenn sie zur Persönlichkeit passen und lediglich noch ein kleines Tüpfchen auf dem „i“ sind – in etwa so, wie bestimmte Ohrringe Ihre Attraktivität erhöhen können. Sie sind aber Müll, wenn Sie sich dadurch eine Maske aufsetzen, die Ihnen jeder Mann nach ein paar Stunden vom Gesicht reißt.

Übrigens: Lesen Sie das oben angeführte Zitat jetzt noch einmal. Es sagt viel aus über Ratgeberliteratur: Das wird nämlich postuliert, dass es „den richtigen Mann“ gäbe, sie aber dennoch lernen müssten, was „Männer“ wollen – ein schillernder Ratschlag.

Zitatenquelle: WELT-Interview.

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