Von der Zeitungsanzeige zur Singlebörse – und Morgen?
Im vorausgegangenen Artikel über die Zukunft der Partnersuche haben wir uns damit beschäftigt, wie man sich in natürlichen und künstlichen Netzwerken einen Partner suchen kann. In diesem Teil betrachten wir, was aus den einfachen Medien, also Anzeigen in Zeitungen und Internet wie auch den Singlebörsen in Zukunft werden könnte.
Die Zeitungs- und Internetanzeigen unterscheiden sich sehr deutlich von den Singlebörsen, obgleich die sogenannte „Annonce“ (Bekanntschaftsanzeige, Kontaktanzeige) als Vorläufer jeglicher Singlebörsen gilt. Das Prinzip der Zeitungsanzeige ist ja, sich „an alle“ zu wenden, aber dabei kaum etwas von sich preiszugeben, also möglichst gänzlich anonym zu bleiben und jedem Dialog darüber auszuweichen. Bei diesen Zeitungsanzeigen war stets die Frage, ob man Annoncen „aufgibt“ oder auf sie schreibt – das Schreiben war preiswert, verlangte aber die Aufgabe der Anonymität, das Aufgeben der Annonce teuer, jedoch konnte man seien Privatsphäre zunächst einmal wahren.
In den besseren Singlebörsen hingegen wendet man sich ausschließlich an Mitglieder, die alle irgendetwas von sich preisgeben – meist viel mehr als in einer Zeitungsanzeige. Lediglich effekthascherische kostenlose Singlebörsen und Sexanbieter werben plakativ mit „Mitgliederfotos“ und stellen deren Profile online. Man kann Singlebörsen also als exklusive Anzeigenportale betrachten, in denen man mit vielerlei Mitteln gezielt suchen kann.
Das beste Konzept haben Online-Partneragenturen
Beim Kapitel über Partnervermittlungen (online wie offline), über deren Zukunft noch zu sprechen wäre, ist das Ziel nicht, sich dort möglichst lange aufzuhalten. Vielmehr will man möglichst schnell mit einem Partner wieder zu verschwinden. Das gilt wohlgemerkt nur für Online-Partnervermittler oder für Online-Partneragenturen, die teilweise (in Österreich) schon damit geworben haben, dass sie von Kunden massenhaft verlassen werden – aber paarweise. Dieses Konzept ist (bei aller Kritik) in vieler Hinsicht sinnvoller als jedes andere Kennenlern-Konzept, soweit Beziehungen betroffen sind, die durch das Internet zustande kommen. Nur Seriöse, auf Langzeitbeziehungen ausgerichtete Nischen-Singlebörsen können damit konkurrieren.
Manche Singlebörsen sind nicht am Erfolg interessiert
Betrachtet man hingegen gewöhnliche Singlebörsen, so wird selbst bei Bezahl-Börsen bereits deutlich, dass sie nicht ganz diesem Konzept folgen. Hier steht die Heirat neben dem Abschleppen, und wer sich aufs Abschleppen oder abgeschleppt werden verlegt hat, bleibt lange Mitglied, was den „typischen“ Singlebörsen mehr als entgegenkommt – sie leben nicht von den Mitgliedern, die sich schnell entschließen und dann mit ihrem Partner die Singleböse wieder verlassen. Besonders extrem kann man dies bei sogenannten „kostenlosen“ (werbefinanzierten) Singlebörsen beobachten. Sie legen es sogar zum großen Teil darauf an, dass der Erfolgsweg steinig wird, denn bei Ihnen ist das Mitglied umso wertvoller, je häufiger es die Seite wiederbesucht kommt und dadurch in den zweifelhaften Genuss von Werbeanzeigen kommt.
Casual Dating – die Erotik-Abspaltung der Singlebörsen
Eine Abspaltung der Singlebörsen sind Casual Dating Agenturen. Der seriösere Teil von ihnen bietet interessierten Frauen und Männer an, schnelle, aber durchaus noch sensible erotische Kontakte herbeizuführen. Allerdings ist die Schwelle zum Rotlichtmilieu oft kaum gekennzeichnet – man stolpert von sinnlichen Begegnungen in harte Sex-Wünsche, in außereheliche Affären und kommt nicht selten mit der Prostitution in Berührung. Wir werden später noch erklären, wo die Casual Dating Agentur aufhört und wo das Online-Bordell beginnt.
Sex-Dating – ein trauriges Kapitel
Das traurigste und in gewissem Maße schon widerwärtige Kapitel des Online-Datings sind derzeit Sex-Agenturen, die ihren Mitgliedern „schnellen und problemlosen Sex“ anbieten. Sie fahren überwiegend ein Programm, das zwischen Rotlichtmethoden und Betrug liegt – nur, dass den Unternehmern meist nichts dergleichen nachgewiesen werden kann. Auch muss man leider feststellen, dass die Grenzen zwischen Prostitution, Sex-Dating, Casual Dating und Singlebörsen nicht mehr mit den festen Schleusen verschlossen sind, die es einmal gab. Heute bieten Firmen bereits den „gleitenden Übergang“ an – und in Zukunft wird dies noch viel stärker der Fall sein.
Wie sieht nun die Zukunft der reinen Singlebörse aus? Sie konkurriert mit jedem und allen. Da wären einerseits die allgemeinen, bekannten künstlichen sozialen Netzwerke, in die Menschen zu Millionen strömen, ohne dass es einen wirklichen Sinn für die Partnersuche hat. Von dort gelangen sie bald in Flirt- und Spaßdating-Kreise. Für diejenigen, die eigentlich (noch) nicht wirklich an einer Partnerschaft interessiert sind, bieten sich also viele Möglichkeiten. Wer die Absicht hat, erotische Abenteuer zu genießen oder wer ernsthaft nach einer Ehe sucht, findet heute andere, sicherere Möglichkeiten. Eines der Probleme in Singlebörsen ist ja heute schon, dass die Mitglieder eigentlich äußerst, selbstbewusst sein müssten, um sich den Herausforderungen zu stellen, denn Hybrid-Dating ist inzwischen zur Regel geworden: Man trifft sich nicht ausdrücklich in der Absicht, eine Partnerin/einen Partner zu suchen, sondern um Dates zu haben, bei denen man entscheiden kann, ob man eine Nacht, 14 Tage oder ein Leben zusammenbleiben möchte. „Teenagerdating für Erwachsene“ scheint das Motto der Zukunft für Singlebörsen zu werden.
Lassen Sie mich zum Schluss noch auf die „gewöhnlichen (Zeitungs)-Anzeigen“ kommen. Sie sind noch lange nicht tot. Ihre Domäne liegt bei Bekanntschaften in der gleichen, oft kleinstädtischen oder ländlichen Regionen, und – soweit das Internet betroffen ist – auf Erotik-Anzeigen.