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Übertreibungen und Flunkereien: Dating 1966 und Dating 2011

das waren noch zeiten – ein all-in-one computer der 80er Jahre (werksfoto)

Dating per Computer vor mehr als 40 Jahren? Das gab es bereits. Im Jahr 1966 bereits eröffnete in Cambridge (Massachusetts, USA) das erste computerisierte Eheanbahnungsinstitut gegründet, „Operation Match“. Auch im Vereinigten Königreich wird das „Matchmaking“ per Computer bald zum Thema. Im Jahr 1968 erscheint darüber ein Wochenschaubericht von Pathé.

Werbung und Wahrheit wichen auch damals schon reichlich voneinander ab, und damals wie heute nahm man den Mund ziemlich voll, wie aus einer Anzeige im „Life Magazin“ hervorgeht. (Ausriss links, Quelle am Ende des Artikels). Die Anzeige erschien in der 1969er Ausgabe des Magazins – sie wurde von einem Institut namens „Compatibilty“ aufgegeben, und sie hätte auch 2011 noch recht ähnlich erscheinen können – an den vollmundigen Übertreibungen hat sich kaum etwas verändert.

Nur, weil zwei Leute gerne Ski fahren, Tanzen gerne gehen oder Museumsbesuche lieben, heißt das noch nicht, dass sie zusammenpassen. Sie müssen vielmehr berücksichtigen, wie sie zu den wichtigen Dingen des Lebens stehen, also wie wir denken, fühlen und handeln. Wir glauben, dass kulturelle Werte, die Bedeutung, die wir der Religion beimessen, intellektuelle Stärke, emotionale Stabilität, sexuelle Einstellungen, soziale Fähigkeiten und persönliche Verhaltensweisen das sind, was in einer Beziehung wirklich zählt und das voranging in ein Testprogramm eingehen muss. Wir fassen bei uns das Freizeitverhalten und die besonderen Interessen der Partner zusammen und versuchen damit, ein ausführliches Profil von unseren Kunden zu erstellen, das auf dem Material basiert, das wir den Fragebögen entnehmen.

Die Übertreibungen bei der „Wissenschaftlichkeit“ wurde übrigens bereits kurz nach dem erste Auftreten der Computerpartnervermittler gerügt, wie aus dem Ausriss recht hervorgeht., den ich dem Buch „Die Traum-Maschine“ entnahm (Quelle siehe unten).

Das war die eine Seite der Medaille, und soweit waren die Ausrichter überwiegend Eheanbahnungsinstitute. Übrigens gab es auch in Deutschland bald ein Institut, das umfangreich mit seiner Computertechnologie warb – doch bevor es losgehen konnte, kam erst einmal ein Vertreter ins Haus, dem seine Provision zumeist wichtiger war als das Glück der Ehesuchenden.

Bleiben wir noch ein wenig bei Deutschland? In den Anzeigenspalten deutscher Zeitschriften tauchten alsbald ähnliche Anzeigen von fragwürdigen Unternehmen auf, die schnell das große Geld machen wollten. Für 20 bis 50 DEM (wenn ich nicht irre) konnte man damals an Computer-Partnerspielen teilnehmen: Fragebogen ausfüllen, Geld überweisen und warten. Einkommen und Vermögen gehörten zu den wichtigsten Fragen, und natürlich, ob man sich eine Hausfrau oder eine berufstätige Frau wünschte. Dann noch eine Briefmarke aufkleben (E-Mail gab es noch nicht) und warten … ja, und was dann kam, war eine Telefonliste mit 10 Vorschlägen „passender“ Damen.

Die Herren wunderten sich, dass sie niemals angerufen wurden, und alsbald erfuhr ich den Grund: An diesen Spielereien beteiligten sich fast ausschließlich Männer und nur ganz wenige Frauen, denn kaum eine Frau war bereit, ihre Telefonnummer für das Spiel zur Verfügung zu stellen. Wer es trotzdem tat, wurde alsbald von Telefonaten überschwemmt, sodass die Damen, wenn überhaupt, nur noch mürrisch ans Telefon gingen. Gewonnen hat dabei niemand, außer den Glücksrittern, die dabei reichlich Geld einsackten.

Immerhin waren sie noch nicht die Schlimmsten. Es gab Klubs und Adressenvermittler, bei denen man für wesentlich höhere Beträge wesentlich weniger bekam – und dann und wann sogar gar nichts oder „Friedhofsadressen“. Die meisten der Betrugsfälle wunden allerdings damals nicht angezeigt – man schämte sich einfach, „so etwas“ nötig zu haben.

Quellen:

Titelfoto: Werksfoto Cromemco
Video British Pathé
Life-Ausriss (Anzeige)
Zum Weiterlesen (englisch).
Via (in Teilen): Online Personal Watch

Ausriss rechts: Originaltext von Tamora Pierce, die damals einen Cromemco C10 Computer (gebaut ab September 1982) benutzte und als Jugendbuchautorin bekannt wurde. Der Artikel wurde zuerst 1984 von William Tenn veröffentlicht. Die deutsche Übersetzung stammt vom Dumont-Verlag. Der Titel des Buches war 1984: Die Traum-Maschine“.

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