Ist Sex eine Frage der öffentlichen Sexualmoral?
Die Menschen in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg hatten alle Diskussionen um Moral verschoben – einmal, weil ihnen angesichts der Verbrechen des Nazistaates der moralische Atem abhandengekommen war, andererseits aber auch, weil sie selber vor dem wirtschaftlichen Nichts und der kulturellen Armut standen: Welche Werte überhaupt noch relevant waren, wusste keiner so genau. Adenauer kannte den Trick, wie man das Volk köderte: Er warf Deutschland zurück auf das Bürgertum des 19. Jahrhunderts und errichtete eine Puppenstubendemokratie für die neuen Bundesbürger.
Je weniger Moral man hatte, umso mehr wurde sie der Jugend gepredigt – und weil man da nun wieder keine wirklichen Werte vermitteln konnte, musste die Sexualmoral herhalten – die wurde in die Köpfe eingebimst. Vor allem: Kein Sex vor der Ehe – schließlich mussten deutsche Frauen in der Welt ihren guten Klang behalten: Schön, edel und vor allem keusch sollten sie sein, sich der Jungen erwehren, die es dennoch immer wieder versuchten.
Seither wird die Sexfrage immer wieder aufgeworfen – als moralische Frage – und bei Weitem nicht nur in der deutschen Demokratie, sondern überall dort, wo das Christentum das Zepter schwingt. Sie muss tief in den Köpfen verankert sein, denn zahllose Fragen drehen sich immer wieder nur „um das Eine“, auch beim Dating.
Dabei wäre es an der Zeit andere Fragen zu stellen: wenn Europa zusammenwächst, warum dann nicht auch die Menschen? Wie können wir das Dating endlich zu einem kulturellen Faktor aufwerten, statt es in den Computer-Kolumnen fragwürdiger Gazetten verkommen zu lassen? Wie gehen wir mit der durch das Internet veränderten Kommunikation um? Sind unsere Schulen darauf vorbereitet, ein neues Bild der Welt und der Kultur unter solchen Aspekten zu vermitteln? Wie soll der Stellenwert von Liebe und Sex unterrichtet werden?
Ist Ihnen das alles zu unpersönlich? Dann frage ich sie jetzt einmal: Ist ihre Sexualmoral nicht einzig und allein ihre Privatsache, solange Sie damit keine Gesetze verletzen? Und wenn das so ist – wozu brauchen Sie, bitte schön, dann noch eine öffentliche Sexualmoral?