Tinder – nicht vögeln, und vielleicht niemals fliegen?
Die SPIEGEL-Kolumnistin nennt TINDER eine Handy-Fickbörse. Womit eigentlich alles gesagt wäre und die Verlautbarungen er TINDER-Macher, sie seien ein „soziales Netzwerk“, irgendwie nicht stimmen kann. Wahrscheinlich sagen sie es ohnehin nur, um US-amerikanische Teenagereltern zu beruhigen.
Reden wir einmal nicht von TINDER. Reden wir von uns. Und da fällt eben ein Satz auf, der gar nichts mit TINDER zu tun hat, sondern mit uns Zitat SPIEGEL:
Nichts gegen Vögeln um die Ecke, aber erstens geht das wunderbar ohne Handy und zweitens habe ich die Theorie, dass Paarungsplattformen vor allem deshalb gut besucht sind, weil sich die Menschen miteinander vom Leben ablenken.
Vom Leben ablenken … vor meinem geistigen Auge sehe ich Millionen Menschen, die tagtäglich mit virtuellen Püppchen „geil oder nicht geil“ spielen. Es kann nicht sein, dass es soviel „schüchterne“ Jünglinge gibt, und noch weniger ist es wahrscheinlich, dass so viele „geile Miezen“ auf schüchtern herumstreunende Kater fliegen.
Fragt man einmal nach, wie oft es aufgrund von TINDER-Kontakten tatsächlich dazu kam, „schön zu vögeln“, dann erntet man betretenes Schweigen. Und wer mehr will, als jemanden irgendwie zu vögeln, „falls sich nichts anderes ergibt?“ Richtig schönes Abfliegen in den siebten Himmel, vielleicht gar in den Hafen der Ehe? Totenstille.
Etikettenschwindel im Netz
Die moderne Welt ist voller Etikettenschwindel. Viele Adult-Dating-Seiten sind nicht als Lockfallen für masturbierende Jünglinge, die gerne mal vögeln wollen – aber das Einzige, was sie bekommen, sind Lockenten, die mit ihnen schnattern. TINDER behauptet, eine Dating-Applikation zu sein (oder je nach Windrichtung auch mal ein „Soziales Netzwerk“).
Ja, und wo ist das Leben? Wann findet es statt? Und mit wem findet es statt? Und wo bleiben, verdammt noch mal, die nach Zehntausenden zählenden Arbeitsstunden, die mit Telefon-Applikationen verplempert werden? Warum entwickeln junge Leute keine Geschäfts- und Karriereideen und lassen sich stattdessen von „Apps“ verdummen?
Als kürzlich bekannt wurde, dass die schottische Firma CUPID ihre Dating-Applikationen komplett aufgeben will, wurde TINDER als ein wesentlicher Faktor genannt. Nun mag man darüber streiten, ob Single-Börsen wie CUPID jemals tatsächlich ernsthaft für die Partnersuche benutzt wurden. Es könnet ebenso sein, dass auch dort schon der Spieltrieb über die Partnersuche siegte.
Wer wirklich einen Partner sucht, wird gut daran tun, ein wenig „in sich“ zu gehen und zu überlegen, wo es eigentlich ernsthaft an Partnerschaften interessierte Menschen gibt und wie man diese erreicht. Dabei soll das Spiel mit den Möglichkeiten ja gar nicht zu kurz kommen, solange man das Ziel nicht aus den Augen verliert.
Einlullen der Dummen, um Macht zu gewinnen
Wir lassen uns gegenwärtig nahezu allesamt von mächtigen Konzernen einlullen, die uns vorgeblich dienen, die in Wahrheit aber nichts anstreben als die Allmacht über unsere virtuelle Persönlichkeit. Und satt und zu bilden und weiterzubringen, ist ihr Hauptziel, dass wir ihre Form der Unterhaltung konsumieren oder ihre Produktempfehlungen befolgen.
Soweit zu uns, der armseligen Masse, die glaubt, sie tut noch etwas Sinnvolles, wenn sie auf FACEBOOK eine Würdigung hinterlässt.
Ernsthafte Partnersuche mit abgetakelten Fregatten und neuen Musikdampfern?
Doch, was ist, oder wird sein, wenn Menschen tatsächlich wieder ernstlich Partner suchen?
Ich denke: Wir werden ganz neue Möglichkeiten brauchen – in den Weiten es Internets ebenso wie auf dieser schnöden Erde, auf der wir letztendlich immer noch miteinander Vögeln, Kochen, Reisen oder sonst was wollen –vielleicht gar Heiraten, Familien gründen und füreinander sorgen. Nur, wenn Sie mich fragen sollten, was es sein wird – ich weiß es nicht. Das Einzige, was ich wirklich zu wissen glaube, ist dies: Gegenwärtig sind alle alten Konzepte abgetakelte Fregatten und alle neuen Ideen lächerliche Musikdampfer.
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