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Sind Datingseiten asozial?

ein soziales netzwerk
wohl dem, der ein soziales netzwerk hat

Datingseiten sind asozial, unsozial oder anti-sozial – so jedenfalls lesen sich die Attribute, die Julie Ruvolo den Datingseiten gibt, und dies, so schreibt sie weiter, bedeute, dass keine der traditionellen Dating-Anbieter überleben wird – außer den Schmuddeldating-Seiten des Erwachsenenbereichs – sie seien der einzige Ort, an dem „sie weder Ihre Freunde, noch Ihre Partner, noch Ihre Familie treffen wollen.“

Damit ist nun eine moralische Assoziation verbunden, die jeder Beschreibung spottet: Die Lichtgestalten dieser Erde geben ihre Daten freizügig an die Öffentlichkeit, damit jeder an ihnen partizipieren kann, während die Asozialen in die Unterwelt der Bordelle abtauchen: Oder kennen Sie noch einen anderen Platz, an dem Sie weder Freunde noch Ehepartner noch Familie treffen wollen?

Julie Ruvolo sieht das Anti-soziale im Menschen offenbar darin, dass man keinem der künstlichen, öffentlichen, weltweiten sozialen Netzwerke angehört. „Sozial“ wurde also umdefiniert – wer in einem künstlichen sozialen Netzwerk sucht, der ist sozial (und nicht etwa anti-sozial, weil das Netzwerk künstlich ist). Demzufolge muss ein Mensch, der bei einer Online-Partneragentur oder einer Single-Börse sucht, wohl zwangsläufig unsozial sein: Schließlich verbirgt er sich hinter einer Maske, dem Nick, und offenbar ist es für die Engelsgestalten der sozialen Netzwerke das Schlimmste, was man tun kann: Eine Maske tragen.

Die Maske heißt allerdings: Privatleben, und das ist ja etwas, was es nun wirklich gar nicht mehr geben darf. Warum mich dies so fatal an den Film „Das Leben der Anderen“ erinnert, an Blockwarte und manch andere Dinge erinnert? Das dürfen Sie sich ausmalen.

Privatheit muss sein – und das sollten nun endlich auch die jungen Leute begreifen, die immer noch die Wände des Internets mit ihren Privatdaten vollschmieren, so, als seien es die Wände öffentlicher Toiletten. Daten, an denen nicht nur die Freunde interessiert sind, sondern auch die werbende Wirtschaft. Daten, die von Menschen in beliebiger Weise genutzt werden können, wenn sie sich nur in den Freundeskreis eingeschlichen haben. Einige der FACEBOOK-Nutzer haben aus dieser Not bereits eine Tugend gemacht: Sie haben ein „echtes“ Profil, das sich tatsächlich nur dem „natürlichen sozialen Netzwerk“ öffnet, und ein zweites, falsches Profil, mit typischen „Netzwerkfreunden“ das für die Rampensau-Interessen reserviert ist.

Die letzten Bastionen, die bei der Partnersuche heute völlige Privatheit garantieren, sind heute die großen Online-Partneragenturen und die exklusiven Partneragenturen für Begüterte, die Menschen noch „per Hand“ zusammenführen – wer sein Privatleben schützen will, tut gut daran, dort zu suchen und nirgendwo anders.

Es ist erstaunlich, dass ausgerechnet die Partnersuche „öffentliches Terrain“ werden soll, und man muss sich wirklich fragen, welche Interessen jene vertreten, die dies fordern. Jedem Manager würden sich die Haare sträuben, wenn er seine Überlegungen zu Geschäftserweiterungen, Fusionen, Verkäufe, Zukäufen oder Entlassungen in sozialen Netzwerken veröffentlichen sollte. Es muss eine merkwürdige Moral sein, die uns sagt, dass unser Privatleben weniger heilig ist, als es die Interessen der Wirtschaft sind.

Asozial, unsozial oder anti-sozial? Lassen Sie sich gar nicht erst mit diesen Schmähetiketten bekleben. Wenn Sie schon auf diese Weise eingeordnet, abgestempelt und entwertet werden, dann wehren Sie sich wenigstens.

Vielleicht erfindet ja noch mal jemand einen Button, auf dem das Motto aus der Serie „The Prisoner“ so verkürzt steht, dass es jeder sehen und verstehen kann: „I will not be pushed, filed, stamped, indexed, briefed, debriefed or numbered. My life is my own“. Wer private Daten öffentlich macht, für den gäbe es ja eine Alternative mit dem Text: „Abgestempelt und entwertet“.

Artikel, die Sie dazu lesen können: Julie Ruvolos eigene Seite (Der Tod des Online-Datings) oder zu Werbung und Online-Dating. Die artikel dürften nicht verständlich sein, ohne den Wortgebrauch des Neusprech-Ausdrucks „Social Graph“ zu Verstehen.

Zu den Sachfragen, die im Artikel behandelt werden, lesen Sie morgen eine neue Stellungnahme an dieser Stelle.

Via: Online Personal Watch

Das Titelbild ist von 1904 aus den „Fliegenden Blättern“, gescannt von Brendan Riley (Ausschnitt)

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