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Wird die Evolution durch die Pille ausgebremst?

Heute ist es üblich geworden, dass Wissenschaftler, die an sich zur „zweiten Garnitur“ gehören, sich mit ihren Forschungen wichtig tun können, sobald sie Zeitungen dezente Hinweise auf pressewirksame Behauptungen geben können.

So kommt wissenschaftlicher Stuss in die Presse: ein groß aufgemachter Artikel der Daily Mail, der offenbar einem bildungsfernen Publikum mit britischer Pressedeftigkeit klar machen will: Die Pille ist schuld, dass Frauen keine Machos mehr wollen, sondern Softys – und damit wäre dann möglicherweise auch die menschliche Zukunft auf der falschen Schiene.

Nun ist die Pillen-Story nicht gerade neu und sie wird mit Vorliebe so erzählt: Stripperinnen, die die Pille nicht nehmen, bekommen zum Zeitpunkt des Eisprungs mehr britische Pfunde ins Höschen gesteckt als sonst. Der Hintergrund: Frauen sind naturgegeben für Männer etwas attraktiver, wenn die volle Verlockung des weiblichen Körpers sie zur Kopulation drängt.

Soweit mag man das noch ablächeln, und wenn die Wissenschaftlerin Dr. Alexandra Alvergne, von der Universität in Sheffield sagt, die Pille könnte das Verhalten der Frauen bei der Partnerwahl verändern und dadurch Langzeitfolgen für die menschliche Gesellschaft haben, dann kann man dies immerhin noch dem Übermut und dem Geltungsbedürfnis einer jungen Wissenschaftlerin entschuldigen.

Zeitzeuginnen wüssten besser, was die Pille bedeutete

Vielleicht kennt diese Frau Alvergne ja noch ein paar Frauen außerhalb der Universität, namentlich solche, die heute über 60 sind und noch eine pillenlose Zeit erlebt haben. Sollte es ihr der Mühe wert sein, ein paar Gespräche (wenige reichen) mit solchen Frauen zu führen, so wird sie dies erfahren: Die Pille hat das Verhalten der Frauen vom ersten Tag ihres Erscheinens verändert, und zwar einfach deshalb, weil es sie gab und Frauen sich nicht ständig fürchten mussten, bei jedem Geschlechtsverkehr schwanger zu werden. Diese einfache Tatsache hat die menschliche Gesellschaft stärker verändert als dies selbst die Frauenemanzipationsbewegung vermochte: Praxis liegt Frauen immer näher als Theorie.

Macho und Softy: Ein altes Phänomen, und doch ein Scheinproblem

Der Konflikt zwischen der Hingabe an den Macho oder an den Lebenspartner kann wohl kaum mit der Verwendung der Pille erklärt werden. Er ist und bleibt ein Kulturphänomen, das bilogische Ursachen haben könnte: Schon in früheren Jahren wurde klar, dass sich Frauen zeitweilig gerne Machos näherten, dann aber in der Regel doch langfristig bei „durchschnittlichen Ernährern“ blieben. Erst in jüngster Zeit können gewisse Änderungen erkannt werden, die aber in eine andere Richtung gehen: Durch die Emanzipation sind Frauen nun auch in der Lage, auf den Ernährer zu verzichten und suchen nach einem „optimalen Partner“ für verschiedene Lebenslagen und Lebensabschnitte, bis sie einsehen, dass eine feste Bezeihung doch eine gute Wahl ist. Wer dabei berücksichtigt wird, ist nach wie vor ein Rätsel: Die Wahl wird ja nicht wirklich zwischen Macho und Softy getroffen, sondern innerhalb einer breiten Skala von Bedürfnissen, die nicht einmal alle sexueller Natur sein müssen. Dass die menschliche Evolution durch die Pille ausgebremst oder jedenfalls nachhaltig verändert wird, ist absoluter Stuss. Wir sind Menschen und keine Gorillas.

Falsches Zeit- und Gesichtsbewusstsein bei Wissenschaftlern

Hoch zu loben ist übrigens die FAZ, die Sonja Kastilan die Möglichkeit gab, sich zum Thema zu äußern, hier ein verkürzter Auszug aus dem lesenswerten Beitrag:

Bevor man (die Pille) verteufelt, weil man … gar (um) die menschliche Evolution … fürchtet, weil sich dadurch die vermeintlich falschen finden, sollte man berücksichtigen, dass die eigene Wahl (gemeint ist die Partnerwahl, red.) ein recht junges Phänomen ist

Wie wahr, wie wahr … die Evolution hat den Menschen über Jahrmillion geprägt. Wer nun einen Umbruch in der Evolution in den letzten hundert Jahren sehen will, der sollte lieber Groschenromanautor werden als Wissenschaftler. Verändert hat sich seither lediglich die Kultur, und zwar durch ein begrüßenswertes Phänomen, die freie Partnerwahl. Denn erst seit ungefähr hundert Jahren ist es Frauen in der christlich-jüdischen wie auch der bürgerlichen Gesellschaft möglich, ihren Partner selbst auszuwählen.

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